Die Rehabilitation braucht einen ganzheitlichen und differenzierten Denkansatz Rehaklinik Bellikon stellt neue Untersuchung zur Unfallrehabilitation vor Jedes Jahr ereignen sich in der Schweiz rund 1,2 Mio. Unfälle mit Verletzungen. Während in der Medizin dank technischem Fortschritt und neuen Behandlungsoptio­nen Verletzungen immer besser behandelt werden können, wird die zunehmende Bedeutung und Komplexität der Rehabilitation noch immer unterschätzt. Denn in vielen, vor allem komplexen Fällen endet die medizinische Behandlung nicht mit dem Klinikaustritt. Die Rehaklinik Bellikon – ein Unternehmen der Suva – hat drei ausgewiesene Experten eingeladen, die juristischen, medizinischen und gesund­heitsökonomischen Grundlagen der einfacher und komplexen Unfallrehabilitation in der Schweiz zu definieren. Entstanden ist ein Handbuch für die kantonalen Spital­planungs- und Spitallisten-Prozesse mit dem Ziel, einen Impuls für einen ganz­heitlichen Denkansatz zu leisten.  «Es gibt erhebliche Fortschritte in der Notfallrettung und in der Akutversorgung Schwerver­letzter. Diese stehen mittlerweile in keinem Verhältnis mehr zum Niveau der darauffolgenden Rehabilitation und der Nachsorge. Das führt zu erheblichen Folgekosten durch bleibende Inva­lidität, Arbeitslosigkeit, Isolation dieser Schwerverletzten, Krankheit – verbunden mit Ängsten und psychischen Folgen – die gravierend sind.» Dr. med. Jean-Jacques Glaesener, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, ehemaliger Chefarzt im Zentrum für Rehabilitationsmedizin BG Klinikum Hamburg, legt den Finger direkt auf den wunden Punkt. Zusammen mit Prof. Dr. iur. Ueli Kieser, Rechtsanwalt und Titularprofessor an der Universität St.Gallen für Sozialversicherungs- und Gesundheitsrecht sowie Dr. oec. HSG Willy Oggier, Schweizer Gesundheitsökonom, hat er im Auftrag der Rehaklinik Bellikon bereits zum zweiten Mal die Situation der Unfallrehabilitation in der Schweiz analysiert. Nach einer ersten Unter­suchung 2019 über die Unfallrehabilitation insgesamt wurden nun die Grundlagen erstellt, einfache und komplexe Unfallrehabilitation zu differenzieren. Publiziert wurde die Untersu­chung in der Schriftenreihe der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP (Band 140, ISBN 978-3-85707-140-9).  Die Menschen bleiben länger aktiv und werden immer älter Die Bedeutung und Rolle der Rehabilitation hat sich verändert. Neben dem medizinischen Fortschritt führen die demografische Entwicklung und das veränderte Freizeitverhalten dazu, dass der Schweregrad der Verletzungen zunimmt und die Anforderungen an die Rehabilitation vielschichtiger werden. Aufgrund der Trends – eine Million Babyboomer bereiten sich in der Schweiz gerade auf die Pensionierung vor – müssen immer mehr Unfallkosten über die Unfall­zusatzversicherung der Krankenkasse – d. h. ausserhalb der Unfallversicherung (UVG) des Arbeitgebers - abgewickelt werden. Komplexe Unfallrehabilitation endet nicht nach dem Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik, sondern hat die soziale und berufliche Wiedereinglie­derung als Ziel. Für Dr. Gianni R. Rossi, CEO der Rehaklinik Bellikon, fehlt der ganzheitliche Denkansatz: «Bei einem Unfall beginnt die Behandlungskette nach einem konkreten Ereignis und endet an sich erst nach der – nachhaltigen – Wiedereingliede­rung des Patienten in sein soziales Umfeld und im Rahmen der Möglichkeiten aufgrund der Verletzungen allenfalls am Arbeitsplatz.» Heute werde aber die Qualität einer Behandlung meistens nur bis zum Klinik­austritt beurteilt. Ko-Autor Prof. Kieser stellt denn auch im Rahmen der Untersuchung fest: «Die beiden Be­griffe ­– einfache und die komplexe Unfallrehabilitation – tauchen weder in der Kranken­versicherung noch in der Unfallversicherung auf. Das muss im heutigen Krankenversiche­rungs­recht und Unfallversicherungsrecht korrigiert werden.» Und der dritte Ko-Autor, Dr. Oggier, bestätigt: «Eine Differenzierung zwischen einfacher und komplexer Unfallrehabili­ta­tion ist aus gesundheitsökonomischer Sicht grundsätzlich möglich. Wenn man es will, muss man es einfach nur machen.» Spitalplaner sind gefordert Das Schweizer Gesundheitssystem will sowohl die Qualität (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit) als auch die Wirtschaftlichkeit fördern. Im Krankenversicherungsgesetz (KVG) werden diese Kriterien im Absatz 1 des Artikels 32 explizit vorausgesetzt. Im Bereich der Rehabilitation setzt die zunehmende Komplexität entsprechend differenzierte interdisziplinäre und effiziente Abläufe voraus, damit Patienten optimal behandelt werden. Letztlich ist dies auch im Inte­res­se unserer Volkswirtschaft. Für den CEO der Rehaklinik Bellikon Dr. Rossi ist klar: «Wir brauchen den ganzheitlichen Denkansatz in der Spitalplanung und die differenzierte Vorge­hens­weise bezüglich einfacher und komplexer Unfallrehabilitation. Nur dann können wir optimale Voraussetzungen für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Behandlungsprozess solcher Patienten schaffen. Mit unserer Untersuchung wollen wir den Blick dafür schärfen.»