Kritische Fragen müssen angegangen werden Integrierte Versorgung in der Unfallrehabilitation Bereits zum vierten Mal fand am Donnerstag, 27. April 2023, die Europäische Unfallrehabilitations-Tagung in Bellikon statt. Unter dem Tagungsmotto «Integrierte Unfallrehabilitation heute und morgen» tauschten sich versierte Fachspezialisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in der Rehaklinik Bellikon untereinander aus. Wie geschieht integrierte Versorgung in der Unfallrehabilitation, und wie soll sie in Zukunft weiterentwickelt werden? Unter der Tagungsmoderation von Dr. Willy Oggier, der zusammen mit Gastgeber Dr. Gianni R. Rossi (CEO der Suva-Kliniken in Sion und Bellikon) auch für die Tagungskonzeption zuständig war, wurden diese und weitere Fragestellungen diskutiert und innovative neue Ansätze der integrierten Versorgung in der Unfallrehabilitation erörtert. Nach einem Grusswort und einem Blick auf den Werdegang der Suva-Kliniken durch Daniel Roscher, Mitglied der Geschäftsleitung der Suva und Präsident des Klinikrats der Suva-Kliniken, referierten zunächst die Gesundheitsdirektionen der Kantone Aargau und Zürich über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen kantonalen Spitalplanung. Den Ausführungen von Christine Huber (Departement Gesundheit und Soziales Kanton Aargau) und Deborah Solenthaler (Gesundheitsdirektion Kanton Zürich) zeigten unter anderem auf, wie sie die Qualität der gelisteten Institutionen prüfen und wie sie die Versorgungssicherheit der jeweiligen Bevölkerung auch mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen sicherstellen. Im Anschluss sprach Dr. Till Hornung, CEO Kliniken Valens, über die Verzahnung der Leistungserbringer innerhalb einer integrierten Versorgung in der Schweiz am Beispiel der kürzlich kommunizierten Fusion der Kliniken Valens und der Zürcher Rehazentren und präsentierte damit einen innovativen Ansatz, über welchen man in den nächsten Monaten sicherlich weiterhin sprechen wird. Den Bogen ins deutschsprachige Ausland schlugen Dr. Christoph Reimertz vom Service- und Rehabilitationszentrum Frankfurt am Main (D) und Prim. Dr. Karin Gstaltner vom Rehabilitationszentrum Meidling in Wien (A). Neben der Good Practice der integrierten Versorgung innerhalb der beiden Gesundheitssysteme wurden auch Brennpunkte angesprochen. Dr. Reimertz umriss die Problematik des sogenannten Reha-Lochs in Deutschland: Eine Mehrheit der Patientinnen und Patienten werden nach Unfall und Akutspitalaufenthalt nicht in eine Rehabilitationsklinik überwiesen, weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen, und fallen stattdessen in die häusliche Pflege oder direkt in ein Pflegeheim. Dr. Gstaltner verglich indikations- und populationsbezogene Versorgungsansätze und führte als positives Beispiel den Traumacampus Wien mit seinen durchgängigen Behandlungswegen und niederschwelligen Schnittstellen auf. Die Teilnehmenden nickten zu ihrem Schlusssatz «Man muss die Dinge kritisch betrachten, aber ein vernünftiger Weg ist immer der richtige Weg.» Die Perspektive eines Schweizer Unfallversicherers lernten die Tagungsteilnehmenden durch Barbara Ingold (Leiterin Schadenabwicklung der Suva) kennen, bevor Verena Nold (Direktorin Santésuisse) als Kontrapunkt die Feinheiten und Unterschiede im Falle eines Unfallpatienten darlegte, der jedoch nicht nach UVG, sondern nach KVG versichert ist, was in besonderen Fällen zu einem von der Regel abweichenden Behandlungs- oder Rehabilitationsprogramm führen kann. In der abschliessenden Podiumsdiskussion stellten sich Michael Jordi (Generalsekretär GDK-CDS), Anton Schmid (CEO Kantonsspital Aarau) und Dr. Gianni R. Rossi (CEO Suva-Kliniken) den Fragen von Moderatorin Beatrice Müller. Es stellte sich heraus, dass die Wichtigkeit einer gut funktionierenden integrierten Versorgung gerade in der komplexen Unfallrehabilitation zentral ist. Dr. Rossi dazu: «Den Rehakliniken der Suva werden Patientinnen und Patienten mit schweren Traumata oder Verletzungen bereits in einem sehr frühen Stadium triagiert und überwiesen. Es ist eine Grundvoraussetzung, dass der Übergang nahtlos vonstattengeht und der Patient von erster Sekunde an vollumfassend individuell, aber koordiniert betreut wird. An gewissen Orten ist die integrierte Versorgung wünschenswert, bei uns ist sie notwendig!» Die diesjährige Europäische Unfallrehabilitation-Tagung hat kritische Fragen aufgeworfen, die die Teilnehmenden in Zukunft beschäftigen werden. Eine Neuausgestaltung des Themas Integrierte Versorgung durch eine koordinierte Verzahnung von Angeboten beispielsweise kann nicht angegangen werden, ohne dass die entsprechende Finanzierung geklärt und geregelt ist. Dazu bestehen heute unterschiedliche Ansätze. Weitere Fragen sind: Wie wird in der integrierten Rehabilitation sichergestellt, dass überall wo «Reha» draufsteht, auch Reha drin ist? Wie stark will man die integrierte Versorgung in der Unfallrehabilitation regulieren? Wie viel will man den einzelnen Akteuren überlassen? Und welche Rahmenbedingungen sollte man im Interesse einer optimalen Patientenversorgung setzen? Politik und Akteure im Gesundheitswesen müssen sich mit diesen Fragen dringend und konstruktiv auseinandersetzen, zum Wohle der zukünftigen Patientinnen und Patienten.